Geheimnisvoller Raumschiffantrieb: Macht die NASA das Unmögliche möglich?
Andreas von Rétyi
Zurzeit kursieren verschiedene Gerüchte, die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA arbeite an einem exotischen Antriebssystem, das den Gesetzen der Physik nach bisherigem Verständnis widerspreche. Wenn allerdings das Konzept aufgeht, könnten Raumschiffe ohne Treibstoff starten und große Strecken zurücklegen. Was spielt sich also derzeit ab?
So ganz will die NASA nicht mit Informationen herausrücken, aber was bisher bekannt ist, lässt zumindest ein paar Schlussfolgerungen zu. Gerade in Zeiten, in denen das bemannte US-Raumfahrtprogramm eine Krise durchmacht und die Versorgung der Internationalen Raumstation ISS von offenbar überforderten privaten Unternehmen abhängig ist, gerade in Zeiten, in denen außerdem wieder deutliche politische Spannungen zwischen USA und Russland herrschen und schließlich noch Unglücksfälle wie kürzlich die Explosion der Antares-Rakete für Rückschläge sorgen, wären neue Konzepte auch zu Antriebssystemen mehr als willkommen.
Wenn dann auch noch umweltfreundliche Lösungsansätze vorgestellt werden, die abgasfreie »Raketen« als echte Möglichkeit für die Zukunft präsentieren, scheint das beinahe schon zu schön, um wahr zu sein. Erste Schritte auf dem Weg zu dieser sauberen Technologie seien bereits geglückt, so behaupten die einen oder anderen Fachleute sowie nicht zuletzt private Erfinder. Allerdings bestätigt auch die NASA erstaunliche eigene Ergebnisse. Und das macht hellhörig. Worum geht es bei der ganzen Geschichte?
Irgendwann soll ein »Microwave Thruster«, also ein Mikrowellen-Antrieb dafür sorgen, treibstofflose Fluggeräte ins All zu starten und durch den Raum zu manövrieren. Angeblich haben erfolgreiche Labortests die prinzipielle Machbarkeit bestätigt. Der Antrieb hätte den Vorteil, eben ohne jene immensen Mengen an Treibstoff auszukommen, wie sie normalerweise für die Raumfahrt nötig sind. Raketen sind an sich nichts als riesige Tanks mit nur wenig Nutzlast, die bei ein paar Prozent der Gesamtmasse liegt. NASA-Wissenschaftler und -Ingenieure wollen nun rein mittels Mikrowellen bei 30 Watt einen Schub von 30 bis 50 Mikronewton erzeugt haben. Das ist zwar extrem wenig, soll aber die Machbarkeit demonstrieren.
Was hier in Ansätzen vorgestellt wird, ist dem Prinzip nach ein reaktionsloser Antrieb, etwas bislang Utopisches. Raumschiffe, die sich lautlos und ohne Ausstoß von Abgasen majestätisch inden Himmel erheben, wären etwas Fantastisches, doch die irdische Technologie hinkt bislang weit hinterher. Der britische Luftfahrtingenieur Roger J. Shawyer glaubt allerdings, mit seinem EmDrive-Antrieb die Barriere zur Realität überwunden zu haben. Dieses System stellt sich als Magnetron dar, als Mikrowellen-Generator.
Dieser Mechanismus befindet sich innerhalb einer ganz besonders geformten, sich verjüngenden und versiegelten Zelle. Sobald das Magnetron in diesem Metallbehälter eingeschaltet wird, stoßen die erzeugten Mikrowellen gegen die Wände, allerdings mit asymmetrischer Druckverteilung, bedingt durch die Formgebung des Behälters. Daher müsste sich das gesamte System in Bewegung setzen.
Das klingt recht einfach, doch die Physik tut sich mit diesem Konzept ziemlich schwer. Tatsächlich erinnert die Idee an Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. Der allgemeinen Sichtweise zufolge gilt die Impulserhaltung: So auch im Falle eines mit Treibstoff gefüllten, im All befindlichen Raumschiffs. Bei Zündung verbrennt ein geeignetes Gasgemisch und tritt mit hoher Geschwindigkeit aus der Düse aus. Die Gasmenge ist relativ gering, aber die Austrittsgeschwindigkeit hoch.
Das Raumschiff wird dadurch in die Gegenrichtung bewegt – seine hohe Masse bedingt eine gegenüber der Austrittsgeschwindigkeit des Gases entsprechend niedrigere Geschwindigkeit. Lediglich das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit bleibt in beiden Fällen gleich, der Impuls wird also erhalten, genau wie Newton einst vorhersagte und ganze Physikergenerationen später bestätigen konnten. Actio gleich Reactio, entsprechend dem dritten newtonschen Axiom. Und der Raketenantrieb nutzt dieses Prinzip, er ist ein Reaktions- oder Rückstoßantrieb. Shawyer glaubtallerdings, dass seine neue Form des Antriebs die klassischen Gesetze nicht verletzt und sich mit Hilfe der Relativitätstheorie durchaus erklären lässt, weshalb manchmal auch von einem Relativitätsantrieb die Rede ist. Außerdem soll die Quantenphysik eine Rolle spielen.
Zumindest machen derzeit entsprechende Behauptungen die Runde, denen zufolge fortwährend Wolken aus Teilchen und Antiteilchen entstehen, um anschließend wieder der Vernichtung anheimzufallen. Es handelte sich demnach um virtuelle Teilchen des Vakuums, die je nach Energie unterschiedlich lange Existenzdauern besitzen, entsprechend der Unschärferelation. Kaum näher bestimmte Wechselwirkungen sollen für die erzeugte Kraft verantwortlich sein.
Allerdings findet sich zumindest im kurzen theoretischen Dokument »A Theory of Microwave Propulsion Spacecraft« von Roger Shawyer keine Erwähnung des Quantenvakuums und virtueller Teilchen. An sich wäre ein neuartiger Motor, der Quantenfluktuationen des Vakuums nutzt und von dort stammende Teilchen ausstößt, ein Quantenvakuum-Plasma-Antrieb. Doch der EmDrive ist in sich geschlossen, er stößt nichts aus.
Shawyer zeigt das Grundprinzip anhand von Berechnungen mit klassischen Gleichungen auf und leitet schließlich die Antriebskraft ab, doch beruft er sich nicht allein auf Theorie. Vielmehr spricht er von gelungenen Praxistests. Das britische Handelsministerium hat ihn sogar mit 45.000 Pfundbezuschusst – zur Unternehmensgründung und Weiterentwicklung seiner Ideen. Wie Shawyer selbst erklärt, seien bisher sieben unabhängige und positive Bewertungen seiner Arbeit vorgenommen worden.
Die meisten Wissenschaftler allerdings bezeichnen seine Ideen als abwegig. Zwar tragen Mikrowellen einen Impuls mit sich, und nicht zuletzt basieren Photonenantriebe ebenfalls auf diesem Prinzip. Doch die elektromagnetische Strahlung, die in Shawyers System entsteht, dringt nicht nach außen in die Umgebung, sondern wirkt nur innerhalb des Metallbehälters. Nach allgemeiner Ansicht kann sie aber in diesem Gefängnis auch nicht als Antrieb wirksam werden. Das ist gleichzeitig der Grund dafür, warum die meisten Physiker dem Erfinder nicht folgen wollen und von einem großen Irrtum seinerseits sprechen.
Nun gibt es noch andere Konstrukteure, die ähnliche Apparate entwickelt haben wollen. Auch einige Forscher, darunter die chinesische Raketenexpertin Juan Yang und ihre Kollegen, berichteten bereits vor geraumer Zeit von erfolgreichen Tests. Und schließlich kam dann noch eine Forschergruppe derNASA-»Eagleworks«-Laboratories ins Spiel, die Shawyers Antriebskonzept oder die sogenannte Cannae-Drive des Erfinders Guido P. Fetta bestätigen.
Eagleworks, das ist eine NASA-Denkfabrik für fortschrittliche Antriebskonzepte, die offiziell unterNASA/JSC Advanced Propulsion Laboratory firmiert. Die NASA-Forscher lassen zu diesem völlig neuen Konzept lediglich verlautbaren:
»Die Testergebnisse legen nahe, dass … das Design, welches als elektrisches Antriebssystem einzigartig ist, eine Kraft erzeugt, die mit keinem klassischen elektromagnetischen Phänomen erklärbar ist und deshalb möglicherweise eine Interaktion mit dem virtuellen Quanten-Vakuumplasma demonstriert.«
Das klingt bereits nach »freier Energie«. Die Forscher stellen allerdings schlichtweg Messergebnisse fest und wollen noch keine präzise physikalische Begründung vorlegen. Das wäre dann ein eigener Schritt, der sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen und vor allem die theoretischen Physiker fordern würde.
Bei den Experimenten wurden winzige Kräfte erzeugt, offenbar genug, um die prinzipielle Möglichkeit zu demonstrieren. Sollte das zutreffen und sich die Effizienz in Zukunft sehr wesentlich steigern lassen, wären bemannte Flüge zu Planeten wie Mars und Saturn möglich, so schließt eine betreffende Publikation von Eagleworks.
Selbst, wenn die jetzt erzeugten Kräfte verschwindend klein sind, würde ihre Bestätigung allerdings eine revolutionäre Veränderung im physikalischen Denken heraufbeschwören. Doch dieAussagekraft der Tests mit all ihren potenziellen Fehlerquellen sei derzeit zu niedrig und weit von einem sicheren Nachweis entfernt, so die gegenwärtig vorherrschende Ansicht. Auch die NASA-Gruppe sieht deutlichen Bedarf in unabhängigen Reproduktionen des Tests.
Seltsam scheint bei der Geschichte auch, dass ein berichtetes Schub-Leistungs-Verhältnis von 5,3 Mikro-Newton pro Watt vom theoretischen Wert von lediglich 3,3-Nano-Newton pro Watt bei weitem nicht erreicht wird. Dies und etliche weitere Gründe lassen Fachleute stark an den Ergebnissen zweifeln, manche unter ihnen erinnern auch an die Meldung überlichtschneller Neutrinos vom September 2011. Aber vielleicht werden die Zweifler ja noch eines Besseren belehrt.
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